Alles wieder Spalletti? 11FREUNDE

November 2024 · 4 minute read

Am Ende konnten alle dar­über lachen: Luciano Spal­letti (64), der end­lich wieder das Lenkrad seines geliebten Fiat Panda in den Händen halten durfte. Die umste­henden Ver­eins­funk­tio­näre, die einen ziem­lich pein­li­chen Vor­fall aus der Ver­gan­gen­heit abhaken konnten. Die Jour­na­listen, die eine wun­der­bare Story bekamen. Und sogar die gesichts­ver­mummten Ver­treter von Napolis Ultra­szene, die dem schei­denden Meis­ter­trainer neben dem Lenkrad auch noch einen Stapel offen­sicht­lich gebrauchter Musik-CDs über­geben hatten. Durch die Seh­schlitze ihrer Sturm­hauben ließen die beiden Klei­der­schränke aus der Kurve durchaus fröh­liche Mienen erahnen.

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Es war das letzte Kapitel einer kom­plexen Geschichte über vor­schnelle Urteile und (zu) spät erwie­senen Respekt: Im Früh­sommer 2021 war Luciano Spal­letti in seinem ver­staubten Panda nach Neapel auf­ge­bro­chen, um dem Klub am Fuße des Vesuv die lange ersehnte dritte Meis­ter­schaft nach 1987 und 1990 zu schenken: Als der Mann aus der Tos­kana fröh­lich vor­fuhr, die Sei­ten­fenster her­un­ter­ge­kur­belt, die Cha­rak­ter­glatze frisch rasiert und vor Schweiß glän­zend, die Son­nen­brille kom­plett ver­spie­gelt, wurde er von der Ultra­szene des frü­heren Mara­dona-Klubs skep­tisch beäugt. Ledig­lich zwei ita­lie­ni­schen Pokal­siege mit der AS Roma (2007 und 2008) sowie ein paar Titel in der rus­si­schen Liga hatte der Trainer-Rou­ti­nier bis dato gewonnen. Und seine erste Saison mit Napoli schien die Zweifler zu bestä­tigen: ansehn­li­cher Fuß­ball, ja. Aber große Titel?

Der Panda in den Händen der Ultras

Nachdem die Him­mel­blauen die sicher geglaubte Meis­ter­schaft 2022 im letzten Sai­son­drittel noch ver­spielt hatten, war der Panda von Luciano Spal­letti vor dem Fenster seines Hotel­zim­mers im Britta­nique“ geklaut worden – von Ver­tre­tern der Ultra­szene, wie sich bald her­aus­stellen sollte. Die berühmt-berüch­tigte Curva B, wo tra­di­tio­nell die Här­testen der Harten stehen, war unzu­frieden mit Spal­letti. Die Fan­szene haderte mit dessen Spiel­idee, mit den durchaus eigen­wil­ligen Mann­schafts­auf­stel­lungen und auch mit Spal­lettis schrul­liger Außen­dar­stel­lung. Wich­tige Ent­schei­dungen fälle er am liebsten auf dem elter­li­chen Bau­ernhof in der Tos­kana, erklärte der frü­here Mit­tel­feld­spieler einmal: In der Stille von Rimessa finde ich Lösungen. Wie ein Mönch in einem Kloster bin ich dann allein und berühre die Tiefen meiner Seele.“

Den Ultras der SSC Neapel war dieser Typ zu eso­te­risch. Den Panda geben wir dir zurück – wenn du abhaust“, kün­dete kurz nach dem Ver­schwinden des Autos ein hand­be­schrie­benes Plakat am Ver­eins­ge­lände. Die Fronten waren ver­härtet. Spal­letti aber blieb in Süd­ita­lien, denn er war von seinen Methoden und von seiner Mann­schaft über­zeugt. Er spürte, nein: Er wusste gera­dezu, dass Napoli nur noch ein paar gezielte Top­trans­fers vom Scu­detto ent­fernt war. Und er machte sich an die Arbeit.

Die Kritik war ver­stummt aber nicht ver­gessen

Im ver­gan­genen Sommer holte der Verein den süd­ko­rea­ni­schen Pan­zer­schrank Min-jae Kim von Fener­bahce für die Innen­ver­tei­di­gung und den geor­gi­schen Akti­ons­künstler Kvicha Kva­ratsh­kelia von einem Klub namens Dinamo Batumi. Fertig war das Meister-Ensemble. Napolis Vor­sprung auf den Vize Lazio betrug am Sai­son­ende sage und schreibe 16 Punkte. Und die teils wahn­wit­zige Kritik am Trainer war längst ver­stummt – aber nicht ver­gessen. Spal­letti hatte es seinen Geg­nern gezeigt. Und wollte danach nur noch weg. Ein Sab­ba­tical ein­legen, gegen die Erschöp­fung, wie er behaup­tete. Inner­lich war er vor allem ent­täuscht – von Klub­prä­si­dent Aurelio de Lau­ren­tiis, der ihn ledig­lich per Email über das Ziehen einer ver­eins­sei­tigen Option auf Ver­trags­ver­län­ge­rung infor­miert hatte, und von der him­mel­blauen Fan­szene, die ihm so lange die Liebe vor­ent­halten hatte.

Immerhin: Wenige Wochen nach dem Gewinn der Meis­ter­schaft hielten die Ultras Wort und über­reichten Luciano Spal­letti sym­bo­lisch das Lenk­rand des gestoh­lenen Fahr­zeugs sowie die CDs, die sie damals im Hand­schuh­fach vor­ge­funden hatten. Den Rest des Autos, so ver­si­cherten sie, würde Spal­letti später wohl­be­halten zurück­be­kommen. Der schei­dende Trainer bedankte sich mit einem breiten Grinser und hielt das Steuer pro­fes­sio­nell in die anwe­senden Kameras.

Ich habe eine Obses­sion“, hatte Luciano Spal­letti im Laufe der ver­gan­genen Saison mehr­fach erklärt: Ich will Neapel glück­lich machen.“ Nun wird er die sie­ges­trun­kene Stadt ver­lassen. So, wie er vor zwei Jahren gekommen war: in seinem Panda, mit geöff­neten Sei­ten­fens­tern, glän­zender Glatze und ver­spie­gelten Bril­len­glä­sern. Und die nea­po­li­ta­ni­schen Ultras werden mög­li­cher­weise dar­über sin­nieren, ob es klug war, einen sol­chen Aus­nah­me­trainer so früh­zeitig zu ver­dammen.

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